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08. August 2025

Über Freiheit

Das Ziel des Yoga ist Freiheit, darüber sind wir uns im Klaren. Doch Freiheit wovon? Darüber sind wir uns nicht unbedingt im Klaren.

Jeder Mensch hat den Wunsch nach Freiheit, dieser Wunsch ist existenziell und er treibt bewusst oder unbewusst jeden von uns um. Allerdings wissen wir nicht unbedingt, wovon wir frei sein wollen. Für manche sind es gesellschaftliche Zwänge – Zwänge, die durch die Familie entstehen, berufliche Zwänge oder Zwänge, die durch Erwartungen unseres Umfelds verursacht werden. Für andere ist es der Wunsch nach finanzieller Freiheit. Oft ist es ein starker Wunsch vom Druck und Stress des Alltags frei zu sein. Vielleicht ist es auch einfach nur der Wunsch mehr Zeit und Muße für sich zu haben. Es gibt viele Dinge von denen wir uns gerne frei machen möchten, und wir suchen die Ursache für unsere Unfreiheit normalerweise im Außen, in unserem Umfeld. Dabei übersehen wir jedoch etwas Wesentliches. Die Ursache dafür, dass wir uns nicht frei fühlen, liegt nicht im Außen, sie liegt in uns.

Wenn die Ursache unseres Problems in uns liegt, kann die Lösung auch nur in uns zu finden sein.

Wenn im Zusammenhang mit der Yogaphilosophie von Freiheit gesprochen wird, wird häufig der Begriff kaivalya verwendet. kaivalya ist Sanskrit, wörtlich übersetzt bedeutet es „Isolation“ oder „alleine sein“. Das klingt ein wenig deprimierend. Warum sollte uns Isolation Freiheit schenken? Wenn wir uns isolieren, machen wir uns zwar frei von äußeren Zwängen, aber wir vereinsamen auch. Das kann nicht die Lösung sein. Gemeint ist tatsächlich die Isolation von Zwängen, allerdings von inneren Zwängen, denn es sind die inneren Zwänge, die uns unsere Freiheit nehmen, nicht die Äußeren. Wir können begrenzt Einfluss auf unser äußeres Umfeld nehmen, wir können es gestalten und verändern. Aber es ist unmöglich, unser Umfeld so zu gestalten, dass wir darin absolute Freiheit finden und das ist auch gut so, denn Leben ist Beziehung und in Beziehungen müssen wir immer wieder Kompromisse eingehen, die auf Kosten unserer individuellen Freiheit gehen. Das tun unsere Mitmenschen für uns auch, dafür dürfen wir dankbar sein.

Freiheit im Sinne des Yoga bedeutet, innerlich so frei zu werden, dass die Anforderungen, die die äußere Welt an uns stellt, nicht mehr als Zwang empfunden werden. Wir lernen, mit Leichtigkeit durch unser Leben zu navigieren, durch die schönen Zeiten, wie auch durch die schweren Zeiten. Ein anderes Wort für diese Fähigkeit ist Gelassenheit, und Gelassenheit kann man lernen. Falls wir irgendwann vollkommene Gelassenheit erreichen, kann uns das Leben nichts mehr anhaben - das wäre kaivalya. Ob uns das gelingt, ist fraglich, aber es ist auch nicht wichtig, denn vom dem Moment an, in dem wir beginnen, Yoga zu üben, wird die Gelassenheit zunehmen und wir werden größere Leichtigkeit erleben. Der Weg ist auch hier das Ziel.

Und was ist mit dem Außen? Sollen wir unser Leben nun nicht mehr nach unseren Wünschen gestalten? Bedeutet es, dass wir nicht mehr versuchen, äußeren Stress zu vermeiden, jetzt, wo uns die Welt nichts mehr anhaben kann? Natürlich nicht. Es geht darum, sich von der Zwanghaftigkeit und dem Druck frei zu machen. Je weniger Druck wir verspüren, desto leichter wird es uns fallen, unser Leben zu gestalten. Mit dem Abnehmen der inneren Zwänge werden die äußeren Zwänge leichter zu handhaben und das Leben wird uns vielleicht in bisschen besser glücken als zuvor. Ist Euch schon einmal aufgefallen, dass Menschen, die gelassen durch ihr Leben gehen, meistens auch gelassen mit widrigen Umständen umgehen können?

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